E-Mountainbikes vernetzen sich immer mehr und machen auch vor automatischem Schalten nicht halt. Jetzt mischt sich auch der E-Bike-Motoren-Gigant Bosch ein und erweitert sein Smart System um eine Automatikschaltung für E-Mountainbikes namens eShift. Wie schlägt es sich im Vergleich zur starken Konkurrenz von Shimano und SRAM?
Obwohl automatisches Schalten an E-MTBs nichts Neues ist, hat es den Markt noch nicht breit erobert. Doch der Startschuss ist bereits gesetzt: 2022 hat der Komponenten-Riese Shimano seine Shimano XT Di2-Schaltgruppe mit Autoshift-Funktion vorgestellt, ein Jahr später hat SRAM mit dem neuen Powertrain-Motorsystem und integrierter Automatikschaltung nachgelegt. Nun zieht Bosch auch im E-MTB-Bereich nach und ermöglicht mit ihrem Bosch eShift genannten System das vollautomatische Schalten an E-MTBs und auch E-Gravel-Bikes mit Kettenschaltungen. Die Stuttgarter wissen, wovon sie sprechen, bereits 2014 haben sie ihre ersten Lösungen für elektronisches Schalten zur Marktreife gebracht und voll- und halbautomatisches Schalten im urbanen Bereich ermöglicht. Neben den bereits bestehenden Lösungen für den urbanen Einsatz wie Rohloff, 3X3 und Enviolo sind jetzt auch neue Schaltungen von Shimano für Alltagsfahrten und Pendler, oder TRP für E-MTBs mit der Bosch eShift-Funktion kompatibel.
Wie funktioniert die Bosch eShift E-Bike Automatikschaltung?
Für den sportlichen Einsatz an E-MTBs hat Bosch mit dem taiwanesischen Komponenten-Riesen TRP zusammengearbeitet. Bosch stellt mit der eShift-Funktion die Software bereit, TRP liefert die nötige Hardware in Form der neuen elektrischen E.A.S.I. A12-Schaltgruppe. Die 12-fach-Gruppe zieht ihren Strom direkt aus dem Hauptakku und hat eine Bandbreite von 520 %. Damit kann sie locker mit der Konkurrenz von SRAM und Shimano mithalten, die ebenfalls auf 520 % Übersetzungsbandbreite oder weniger setzen. Optisch sorgt das System für einen cleanes Cockpit, denn der Schalthebel sitzt unauffällig rechts am Lenker und kommuniziert kabellos mit dem Schaltwerk. Die TRP-Schaltgruppe ist nur in Kombination mit dem Bosch Performance Line CX und SX aus dem Bosch Smart System kompatibel.
In Kombination mit der Software stehen einem dann verschiedene Schaltfunktionen zur Wahl wie Schalten ohne Pedalieren oder vollautomatisches Schalten. Beim vollautomatischen Schalten wird der Gang durch einen Schaltalgorithmus an die jeweilige Fahrsituation angepasst. Hält man den mittleren Button der Bosch Mini Remote gedrückt, lässt sich die Trittfrequenz zwischen 40 und 120 Umdrehungen in 5er-Schritten definieren. Für den Gangwechsel dreht der Motor das Kettenblatt selbständig an – das Hoch- und Runterschalten erfolgt damit automatisch. Nur im Stand funktioniert das Schalten nicht, da der Motor das Kettenblatt nur dreht, wenn das Hinterrad in Bewegung ist.
Ihr wollt die Kontrolle über die Schaltvorgänge nicht abgeben? Kein Problem – denn während der Automatik-Modus aktiv ist, kann man auch selbst schalten: Beim Druck auf den Schalthebel wird der Auto-Modus durch den Fahrer „überstimmt“ und pausiert dann einige Sekunden. So kann man jederzeit eingreifen, falls man auf dem Trail von einer engen Kurve oder einem plötzlichen Anstieg überrascht wird. Drückt man den kleinen Knopf auf der Vorderseite des Schalthebels, kann man auch komplett in den manuellen Modus wechseln und das Schalten selbst übernehmen. Hier bleibt die sogenannte Roll-Shift-Funktion, also Gangwechsel ohne zu Pedalieren, trotzdem erhalten. Auch wenn ihr mal zum Stehen kommt, ist für einen smoothen Übergang in die Weiterfahrt gesorgt: Denn es gibt noch die Auto-Downshift-Funktion, die beim Anhalten in einen vordefinierten Gang schaltet, um das Anfahren zu erleichtern. Der dazu präferierte Gang lässt sich in der Bosch eBike Flow App definieren.
Wie bei den automatischen Schaltsystemen von Shimano und SRAM ist die eShift-Funktion von Bosch komplett in die Software-Oberfläche des Motorsystems eingebunden. Auf dem Kiox- und Purion-Display oder auch auf dem Ridescreen des Smartphones wird angezeigt, in welchem Gang man sich befindet und ob man gerade im manuellen oder Auto-Modus unterwegs ist.
Kopf aus, Autoshift an? Bosch eShift im Praxistest
Schwingt man sich auf den Sattel, merkt man im ersten Moment keinen Unterschied zu einem Bike mit Smart System ohne eShift-Funktion. Befindet man sich im manuellen Modus, schaltet man wie gewohnt durch den Schalthebel, und die TRP-Schaltung wechselt schnell und präzise die Gänge. Auch Gangwechsel unter Last gehen weich vonstatten und die Kette „knallt“ nicht über die verschiedenen Ritzel. Rollt man in den Trail, spielt die Roll-Shift-Funktion im Vergleich zu einer herkömmlichen Schaltung ihre Stärken aus. Gerade in verblockten Passagen mit plötzlichem Gegenanstieg könnt ihr einfach in den passenden Gang wechseln, ohne Gefahr zu laufen, mit der Kurbel an Steinen oder Absätzen aufzusetzen. Auch vor Kurven lässt sich, ohne in die Pedale treten zu müssen, in den passenden Gang schalten und nach der Kurve dann mit wenigen Pedalumdrehungen den benötigten Speed für den Sprung aufbauen.
Wechselt man in den Automatikmodus, übernimmt Bosch eShift das Schalten. Gerade am Anfang muss man sich noch daran gewöhnen, dass jetzt die Software das Sagen hat. Denn oftmals wechselt die Schaltung die Gänge an anderen Stellen, als man es selbst tun würde. Über die Bosch Mini Remote lässt sich einfach und auch während dem Rollen auf Forstwegen die präferierte Trittfrequenz einstellen, die der Schaltalgorithmus halten soll. So könnt ihr die Kadenz noch etwas anpassen, je nachdem, ob ihr sportlich oder eher gemütlich und in der Ebene oder im Uphill unterwegs seid. Auf Trails kommt die Automatikfunktion von Bosch eShift dann jedoch schnell an ihre Grenzen. Steuert man auf einen steilen Gegenanstieg zu, reicht dem Schaltalgorithmus oft die Zeit nicht aus, um rechtzeitig in einen passenden Gang zu schalten. Die Software kann natürlich nicht „vorausschauen“, sondern gibt den Schaltbefehl erst dann, wenn es eigentlich schon zu spät ist und man endet meist in einem zu schweren Gang im Uphill. Hier kann man dann das System durch einen eigenen Schaltbefehl überstimmen. Trotzdem arbeitet man gerade auf Trails mit vielen Gegenanstiegen häufig gegen das System und man ist besser beraten, Autoshift auf solchen Trails zu deaktivieren.
Autoshift eignet sich vor allem für gemütliche Touren in moderatem Gelände. So kann man sich voll und ganz auf das Fahren konzentrieren und muss keine Gedanken ans Schalten verschwenden. Gerade in Kombination mit dem Bosch ABS-System, das ein blockierendes Vorderrad auf losem Untergrund verhindert, erhöht es so die Sicherheit und den Fahrspaß für Tourenfahrer ohne oder mit wenig Offroad-Erfahrung.
Wie performt die Bosch eShift-Funktion im Vergleich zu Shimano Autoshift und SRAM Autoshift?
Auf den ersten Blick wollen alle drei Systeme dem Fahrer das Leben erleichtern, doch das funktioniert nur bedingt, und der Teufel steckt im Detail. Im Gegensatz zu den Systemen von SRAM und Shimano bietet Bosch nicht nur die Schaltfunktionen, sondern auch weitere Features wie z. B. das ABS-System. So schnürt es ein gutes Gesamtpaket für Offroad-Einsteiger und Tourenfahrer, die eher auf gemütlichen Touren in moderatem Gelände unterwegs sind. Im Vergleich zu SRAM und Shimano schaltet die Autoshift-Funktion von Bosch eShift seltener, was gerade auf Touren deutlich angenehmer ist, da sich die Trittfrequenz durch das häufige Schalten wie bei den anderen Systemen nicht die ganze Zeit ändert. In Sachen Haptik kann der TRP-Schalthebel des Bosch-Systems nicht ganz mit Shimano und SRAM mithalten. Hier bietet Shimano für das gleiche „analoge“ Schaltgefühl einen wertigeren Hebel. Wer auch bei seinem Schalthebel voll auf Digitalisierung steht, wird bei SRAM mit den PODs fündig, die wie zwei Knöpfe auf der Fernbedienung liegen, aber auch nur in Kombination mit dem Powertrain-Motorsystem funktionieren. Schade: Wer Bosch eShift sein Eigen nennen will, ist an die TRP-Lösung gebunden und muss auf die beliebte SRAM-Schaltung verzichten. Die Roll-Shift-Funktion – also schalten, ohne zu pedalieren – funktioniert bei allen drei Systemen gleich gut und ist ein wirklicher Mehrwert, wenn man in verblocktem Terrain unterwegs ist. Bei aktiviertem Autoshift im sportlichen Einsatz auf anspruchsvollen Trails kommen die Systeme von Bosch, Shimano und SRAM ähnlich schnell ans Limit und sind eher für Touren im gemäßigten Terrain geeignet.
Fazit zum Bosch eShift
Bosch zieht mit ihrem eShift-System mit integrierter Automatikschaltung für E-Mountainbikes nach. Zusammen mit anderen Bosch-Features wie dem ABS bietet es ein gelungenes Paket für mehr Sicherheit und Fahrspaß für Offroad-Einsteiger, die in moderatem Gelände unterwegs sind. In anspruchsvollen Trail-Situationen kommt die Automatikfunktion jedoch ähnlich schnell ans Limit wie die der Konkurrenz. Sportliche E-Mountainbiker profitieren eher von der Roll Shift-Funktion – dem Schalten, ohne zu treten.
Tops
- schalten ohne pedalieren
- Schaltung und Motorsystem gut kombiniert
- Automatik-Funktion hilft Offroad-Einsteigern in moderatem Gelände
Flops
- Autoshift kommt in komplexen Trail-Situationen ans Limit
- Schalthebel wirkt nicht so hochwertig
Für mehr Informationen besucht bosch-ebike.com.
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!
Words: Mike Hunger Photos: Mike Hunger