Leicht, agil, unauffällig – Light-E-MTBs galten einst für viele Biker als ultimative Lösung. Doch Bikes wie das DJI Amflow PL Carbon Pro zeigen, dass mehr Drehmoment, größere Akkus und geringes Gewicht längst kein Widerspruch mehr sind. Was hinter diesem Wandel steckt und warum etablierte Hersteller sich warm anziehen müssen, lest ihr hier.

Die Reichweitenangst – ein Triggerwort, war lange Zeit einer der größten Antriebe in der Entwicklung von E-Bike-Motoren. Logisch, denn wer will schon mitten auf dem Trail mit leerem Akku stehen? Die Antwort der Industrie: größere Akkus und stärkere Motoren! Bikes wie das Canyon Spectral:ON oder das ROTWILD R.X1000 mit Kapazitäten von über 900 Wh wurden schnell zum Trend und fast schon alltäglichen Anblick auf dem Trail. Doch das hatte seinen Preis: Viele E-MTBs wurden über die Jahre deutlich schwerer, verloren an Agilität und – durch den klobigeren Aufbau – an Ästhetik.

Kein Trend ohne Gegentrend: Die Gegenbewegung begann schon sehr früh, brauchte allerdings einige Jahre, um in Schwung zu kommen. Bereits 2016 rollten die ersten Prototypen auf die Bühne, die allesamt auf den damaligen Motoren-Pionier FAZUA setzten. FOCUS war mit dem Raven² Pro der erste Bike Hersteller, der dieses Konzept 2017 auf die Trails brachte. Ein Jahr später stellte Lapierre das eZesty AM LTD vor, das erste Light-E-MTB, das speziell für den Trail-Einsatz entwickelt wurde, und eröffnete damit einen neuen Horizont für die Bike-Industrie. 2020 sprang dann der Branchenriese Specialized auf den Zug auf und präsentierte die erste Generation des Levo SL – ein großer Schritt nach vorn für das noch in den Kinderschuhen steckende Segment. Die Idee dahinter war einleuchtend – weniger Motorleistung bedeutet weniger Energieverbrauch. Das Resultat: Kleinere, leichtere Akkus und Motoren, eine verbesserte Integration und schlankere Optik. Die Eckdaten der damaligen Motoren? Um die 40 Nm Drehmoment und bis zu 250 Watt Spitzenleistung. Die Vision war klar: Leichte E-MTBs mit einem natürlichen Fahrgefühl und einer schlanken Silhouette, die es schwer machen würden, sie von analogen MTBs zu unterscheiden. Richtig Fahrt nahm der Light-E-MTB-Trend dann im Jahr 2022 und 2023 auf, als TQ mit dem HRP50, FAZUA mit dem Ride 60 und ein Jahr später Bosch mit dem SX-Motor auf den Markt kamen. Und mit ihnen eine große Anzahl an Light-E-MTBs unterschiedlichster Ausprägungen. Doch was macht ein Light-E-MTB wirklich aus? Der kleine und schwächere Motor, ein kleiner und leichter Akku oder das geringe Gesamtgewicht des Bikes?

2020 zeigten dann E-MTBs wie das Orbea Rise oder das ROTWILD R.X375, dass die Kombination eines Fullpower-Motors mit cleveren Akkukonzepten, gedrosselter Motorleistung und energieeffizienten Fahrprofilen herausragende Ergebnisse liefern kann.

Unser großer Light-E-MTB-Vergleichstest 2024 zeigt genau diesen Wandel auf: Moderne Konzepte mit kraftvollen Motoren, ausreichend Akkukapazität und robuster Ausstattung müssen heute nicht mehr schwer sein. Genau das hat auch das aktuelle Orbea Rise LT bewiesen. Kurz nach unserem Vergleichstest wurde auch auf der EUROBIKE 2024 klar, dass die Karten neu gemischt worden sind: Neu vorgestellte Bikes wie das AMFLOW PL Carbon Pro bestätigen unsere Erkenntnisse und zeigen, dass die Entwicklung nicht nur weitergeht, sondern sogar neue Dimensionen erreicht.

Das zeigt sich auch in unserem E-Bike-Motoren-Vergleichstest, bei dem es – nach 7 Jahren – das erste Mal wieder einen Testsieger gab. Und zwar aus sehr guten Gründen: Stellt euch ein Motorsystem vor, das stärker als bisherige Full-Power-Motoren ist, in Sachen Gewicht und Baumaßen aber im Light-E-MTB-Segment wildern kann. Der chinesische Tech-Gigant DJI, vor allem bekannt für seine Drohnen, Gimbals und Video-Gadgets, mischt mit seinem neuen DJI Avinox M1-Motor den Markt ordentlich auf und gibt einen Ausblick auf die zukünftige Ausrichtung der gesamten E-MTB-Branche. Die Frage, ob man sich für einen Light- oder Full-Power-Motor entscheiden soll, hat sich damit bis auf ein paar wenige Ausnahmen erledigt.

So mischen neue Player wie DJI den Markt ordentlich auf und treiben die Entwicklung voran. Der im AMFLOW PL Carbon Pro verbaute DJI Avinox M1-Motor bringt lediglich 2,52 kg auf die Waage, was ihn um einige hundert Gramm leichter macht als die Motoren der Konkurrenz. So liegt zum Beispiel der Bosch Performance Line CX-Motor bei 2,8 kg. Zudem ist der DJI Avinox-Motor in seinen Abmessungen kompakt gehalten und ermöglicht es den Herstellern, schlankere Bikes zu bauen. Fortschrittliche Entwicklungen in der Zelltechnologie haben auch die E-Bike-Akkus immer leichter gemacht. So schaffen es die Entwickler von DJI auf ein erstaunlich niedriges Gewicht ihrer firmeneigenen Batterien. Der große 800-Wh-Akku bringt nur 3,7 kg auf die Waage, während die Konkurrenz meist über 4 kg liegt.

Als weltweit einziges Bike-Magazin waren wir bereits in Shenzhen beim Global Headquarter von DJI vor Ort und haben exklusive Einblicke in die Firma sowie die Entwicklungsabläufe erhalten.

DJI zeichnet sich nicht nur durch seine Hardware aus, sondern hebt sich auch durch seine benutzerfreundliche Software von der Konkurrenz ab. Während viele Antriebssysteme mit komplexer Menüführung und umständlicher Steuerung kämpfen, setzt DJI auf eine intuitive Bedienung: Individuelle Einstellmöglichkeiten, Firmware-Updates und Sicherheits-Features wie GPS-Tracking lassen sich mühelos per App steuern. Zusätzlich kann eine SIM-Karte eingelegt werden, um Funktionen wie den Fernzugriff oder die Ortung des Bikes zu nutzen. Diese Benutzerfreundlichkeit hebt das Fahrerlebnis auf ein neues Level und macht es selbst für technikscheue Fahrer zugänglich. Bereits mit ihren Drohnen haben die Entwickler von DJI bewiesen, dass sie in der Lage sind, technisch anspruchsvolle Produkte unglaublich einfach bedienbar zu machen. Wer Flugobjekte souverän und sicher in der Luft halten und präzise steuern kann, der hat auch die Skills, ein hervorragendes Handling am Boden zu gewährleisten – selbst bei rutschigen Trail-Untergründen. Mit dem Avinox M1-Motor hat DJI in dieser Hinsicht bereits eine neue Benchmark gesetzt.

Alles perfekt also? Das können wir noch nicht sagen: Denn trotz ihrer herausragenden Produkteigenschaften und Usability muss sich DJI im E-MTB-Markt erst noch in Sachen Haltbarkeit und Servicequalität beweisen und mit den etablierten Playern mithalten – allen voran Bosch. Gerade bei einem Produkt wie einem E-MTB, das intensiven Belastungen standhalten muss, sind diese Aspekte entscheidend.

Zurück zur Motorenentwicklung: Full-Power-Motoren hatten im Vergleich zu Light-E-MTBs die letzten Jahre einen entscheidenden Vorteil: Die Nachfrage – und damit die Stückzahlen – waren deutlich höher, was sich auch in den Preisen niederschlägt. Dahingehend wird für die bisherigen Light-E-MTBs die Luft ebenfalls dünner. Durch größere Stückzahlen bei der Motoren- und Akkuherstellung und entsprechende Abnahmemengen der Bike-Hersteller sind Full-Power-E-MTBs schon jetzt erschwinglicher als Light-E-MTBs mit vergleichbarer Ausstattung. Und dieser Trend setzt sich fort.

Im Falle von DJI bzw. AMFLOW gibt es noch einen weiteren Aspekt: Auch wenn DJI das Ziel hat, primär als Motorenhersteller-Lieferant für etablierte Bike-Marken zu fungieren, haben sie mit der hauseigenen Bike-Marke AMFLOW einen preislichen Wettbewerbsvorteil: Das AMFLOW, aktuell in Deutschland, Großbritannien und Australien erhältlich, wandert in der Topausstattung bei einem Gewicht von 20,3 kg in Größe L für 9.999 € über die Ladentheke, während die Topmodelle so mancher Light-E-MTBs für über 14.000 € den Besitzer wechseln. Bereits für 6.499 € bekommt man das Einstiegsmodell des AMFLOW PL Carbon, was dem großen Bruder in Sachen Trail- und Motor-Performance kaum nachsteht und trotzdem mit einem geringen Gewicht von 21,2 kg laut Hersteller punktet. Light-E-MTBs sind hingegen meist nur in der Top-Variante wirklich leicht. Durch weniger gewichtsoptimierte Komponenten landet man bei günstigeren Ausstattungsvarianten oft schnell wieder über 21 kg oder mehr.

Light-Systeme haben die Motoren- und Akkuentwicklung in vielen Bereichen vorangebracht. Doch das rasante Entwicklungstempo hat dafür gesorgt, dass sie sich ihr eigenes Grab geschaufelt haben. Dennoch werden Light-Systeme nicht komplett von der Bildfläche verschwinden und einige Hersteller werden auch in Zukunft noch darauf setzen – gerade bei Cross-Country-Konzepten wie z. B. dem Thömus Lightrider oder dem SCOTT Lumen, und vor allem im Gravel- und Road-Bereich. Aber Light-E-MTBs mit wenig Drehmoment und kleinen Akkus sind in der abfahrtsorientierten E-MTB-Kategorie Geschichte.

Die Richtung ist klar: Die nächste Generation E-MTBs vereint, was einst Gegensätze waren – Power, Reichweite und Leichtigkeit. Während Light-E-MTBs ihren Platz in Nischen behalten werden, markieren Motorsysteme wie das des DJI Avinox den nächsten großen Entwicklungsschritt. Auch wenn DJI sich in puncto Haltbarkeit und Service noch beweisen muss, gehört die Zukunft den vielseitigen Alleskönnern, die neue Freiheiten ermöglichen. Die gute Nachricht für alle: Die neue Generation von E-MTBs wird noch spaßiger!

Noch ist die Motorenentwicklung lange nicht zu Ende – und das Schöne ist: Wir als E-MOUNTAINBIKE Magazin und ihr als E-MOUNTAINBIKE Leser und Rider haben einen Einfluss darauf. Lasst uns wissen, was ihr euch für die Zukunft wünscht. Was haltet ihr von den aktuellen Entwicklungen? Welche Ideen, Features und Anforderungen erhofft ihr euch?
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Words: Robin Schmitt, Benedikt Schmidt, Mike Hunger Photos: Peter Walker, Mike Hunger, Oliver Graf